Wenn psychischer Stress die einzige Ursache von Burnout wäre, dann müssten fast alle Menschen in der Erschöpfung sein und jeder, der dem Stress entfliehen kann, sofort wieder gesunden. Beides trifft nicht zu. Deshalb muss noch etwas anderes hinzukommen, das wir mal vorsichtig die biologischen Burnout Ursachen nennen. Und davon gibt es reichlich und überall, wie Sie sich im Folgenden überzeugen können.
Von Hinrich Hörnlein-Rummel, Facharzt für Nervenheilkunde und Psychotherapeut.
Erfahren Sie mehr zu Stress als Burnout Ursache aus folgenden Abschnitten:
- Psychischer Stress und Burnout?
- Stress und wie reagiert unser Körper darauf?
- Wie entsteht Zellenergie und welchen Einfluss hat der Stress?
- Was richtet der Stress in den Körperzellen an?
- Was wirkt neben Stress sonst noch auf die Körperzellen?
Psychischer Stress und Burnout?
Psychischer Stress und Burnout?
Selbstverständlich kann psychischer Stress zum Burnout führen. Psychischer Stress kann aber nur dann zum Burnout führen, wenn die Stressverarbeitung gestört ist. Viele Menschen haben Stress. Angefangen vom Stress durch Streit mit dem Partner, über Sorgen in der Familie, Sorgen wegen Krankheiten oder Sorgen ums Geld. Auch Arbeitsbedingungen sind häufig Stressursachen. Angefangen vom täglichen Stress bedingt durch zu hohen Arbeits- und Leistungsdruck bis hin zum Mobbing. Wir könnten hier eine lange Liste von psychischen Stressursachen liefern. Aber Ihren persönlichen Stress und dessen Ursache kennen wohl nur Sie am besten.
Erstaunlich sind allerdings zwei Beobachtungen:
1. Nehmen Sie eine Gruppe von Menschen, die genau den gleichen psychischen Stessbedingungen unterliegen. Ein Teil dieser Gruppe entwickelt Burnout, die andere nicht.
2. Ein Mensch hat Jahre, manchmal Jahrzehnte den gleichen Stress und fühlt sich wohl. Plötzlich fällt er in den Burnout, ohne dass sich irgend etwas geändert hat.
Stress und wie reagiert unser Körper darauf?
Stress und wie reagiert unser Körper darauf?
Die Erklärung findet sich im körperlichen Stressablauf. Egal, ob wir körperlichen Stress erleiden oder psychisch unter Druck stehen, die Abläufe im Körper sind immer die gleichen. Jeder Stress führt zur vermehrten Ausschüttung von Adrenalin. Adrenalin ist das Hormon, dass dafür sorgt, dass dem Gehirn und den Muskeln ausreichend Energie zur Verfügung steht. Das hat historische Gründe. In der langen Menschheitsgeschichte war Stress fast immer mit einer körperlichen Antwort verbunden. Vereinfacht gesagt war Kämpfen oder Wegrennen angesagt, wenn z.B. ein Raubtier oder ein Feind unseren Vorfahren begegnete.
Durch Stress ausgeschüttetes Adrenalin sorgt für eine verbesserte Energieversorgung. Es weitet die Atemwege, damit mehr Sauerstoff aufgenommen werden kann und beschleunigt die Atmung. Der Herzschlag wird schneller und der Blutdruck steigt, um mehr Blut durch den Körper zu pumpen. Gleichzeitig werden die Blutgefäße in den Muskeln erweitert und Blutzucker wird ausgeschüttet und in den Fettzellen die Fettvorräte mobilisiert. Im selben Zug werden die Organe abgeschaltet, die man im Kampf nicht brauchen kann, um Energie zu sparen.
In der Steinzeit waren diese Stresszustände i.d.R. kurz. Entweder man hat den Kampf gewonnen oder verloren. In jedem Fall war nach einer halben Stunde die Stressreaktion nicht mehr notwendig. Welche Vorgänge geschehen jedoch im Körper, wenn die Stressituation permanent anhält? Wie kommt der Körper aber wieder von seiner Erregung herunter?
Die Natur hat hierfür ein zweites Stresshormon, das Cortisol entwickelt. Während Adrenalin im Vorrat gehalten wird und sofort ausgeschüttet werden kann, wenn es benötigt wird, wird Cortisol von Fall zu Fall frisch produziert. Dieser Prozess beginnt mit der Stressreaktion und baut sich langsam auf. Cortisol übernimmt dann sozusagen die „Löscharbeiten“. Cortisol holt den Organismus wieder herunter, baut wieder die Blutzuckerreserven auf und beruhigt das ganze durch Stress gestörte System. Im Gegensatz zum Adrenalin dauert es einige Stunden bis wenige Tage, bis das Cortisol die Stressfolgen wieder in Ordnung gebracht hat.
Bereits jetzt kann man erkennen, dass unser Millionen Jahre altes Stresssystem nicht auf unseren modernen Stress ausgerichtet ist. Weglaufen oder kämpfen ist für unsere Stresszustände nicht die richtige Antwort. Im Gegenteil, Ruhe bewahren, ist die richtige Alternative. Mit der zur Verfügung stehenden Energie können wir nichts anfangen. Im besten Falle verpufft sie, oft verstärkt sie aber die Unruhe und die Nervosität.
Der Mensch ist eine altmodische Maschine. Er passt nicht zum modernen Stress, denn ein weiteres Merkmal von modernem Stress ist, dass er nicht nach kurzer Zeit vorbei ist sondern lange dauert und sich häufig in kurzen Zeitabständen wiederholt.
Auch darauf ist unser Stresssystem nicht eingerichtet. Die Störung der Erholungszeiten führt schließlich zu einer Erschöpfung der Energiereserven und die Betroffenen fühlen sich deshalb regelrecht platt gemacht.
Durch die ständige Stresssituation entleeren sich auch allmählich die Adrenalinspeicher und die Cortisolproduktion ist über den ganzen Tag zunächst erhöht, später erniedrigt, weil der Organismus nicht mehr in der Lage ist, ausreichend Cortisol nachzubauen. An dieser Stelle sind die Betroffenen kurz vor dem totalen Zusammenbruch, weil sie jetzt auf körperlichen Stress und sei es nur ein Erkältungsvirus, nicht mehr reagieren können. Das Immunsystem bricht zusammen und es kommt schließlich zur völligen Erschöpfungsreaktion, dem Burnout.
Welchen Einfluss hat der Stress und wie entsteht Zellenenergie?
Welchen Einfluss hat der Stress und wie entsteht Zellenergie?
Wer einmal im Burnout ist braucht meistens sehr sehr lange um sich zu erholen. Viele Betroffene finden gar nicht mehr heraus oder nur zum Preis einer äußerst geringen Belastbarkeit. Doch müsste sich das Adrenalin-Cortisolsystem nicht wieder erholen, wenn es lange genug in Ruhe gelassen wird?
Die Erklärung, warum das häufig nicht so ist, findet sich auf der zellulären Ebene.
Jede Körperzelle und insbesondere die Gehirnzelle benötigen Energie. Diese Energie wird in den „Kraftwerken“ der Zellen, den Mitochondrien, hergestellt. Jede Zelle hat 1500 bis 2500 solcher Kraftwerke, die ATP, die Energiewährung des Körpers herstellen. Um die 70 kg ATP produziert und verbraucht ein durchschnittlicher Erwachsener jeden Tag. Eine stattliche Leistung. Um dieses ATP herzustellen verbrennt der Organismus Blutzucker mit Sauerstoff, der Grund, weshalb wir ständig atmen müssen.
Die biochemischen Vorgänge bei dieser Verbrennung ohne Flammen mit einer Brenntemperatur von 37°C sind nicht ganz einfach, aber in allen Einzelheiten erforscht. Man weiß z.B., dass der Atemsauerstoff im Körper in eine reaktive Form übergeführt wird. Von diesen Formen findet sich ein knappes Dutzend im Stoffwechsel, darunter auch so bekannte Sauerstoffformen wie Wasserstoffperoxid, dass Sie als Fleckentferner oder als Blondiermittel für Haare kennen. Diese reaktiven Sauerstoffformen, englisch abgekürzt ROS sind wichtig, um die Stoffwechselprozesse anzustoßen. Sie wirken wie die Flammen in einem Feuer, die den Verbrennungsprozess am Laufen halten.
Allerdings können sie auch Nebenwirkungen haben. Für die Flammen haben wir Öfen, die den Verbrennungsprozess begrenzen und kontrollieren, in den Körperzellen wird diese Aufgabe von Substanzen, den sog. Antioxidantien übernommen, die den Körper vor der „Verbrennung“, der Oxidation durch überschüssigen Sauerstoff schützen. Je heißer die Flammen, umso dicker und isolierter muss die Ofenwand sein. Gleiches gilt für unseren Zellstoffwechsel. Je mehr Energie benötigt wird, also je mehr ATP erzeugt wird, um so mehr reaktive Sauerstoffformen werden erzeugt und umso mehr Antioxidantien werden verbraucht.
Was richtet der Stress in den Körperzellen an?
Was richtet der Stress in den Körperzellen an?
Bereits in der Ruhe verbraucht unser Gehirn ca. 20% des eingeatmeten Sauerstoffs und ca. 50% des Blutzuckers. Im Stress steigt der Sauerstoffverbrauch auf 50% und der Blutzuckerverbrauch auf bis zu 90%. Daraus folgt, dass auch der Verbrauch an Antioxidantien im Stress sprunghaft steigt. Sind weniger Antioxidantien vorhanden als benötigt, dann kommt die Zelle in den oxidativen Stress. Das bedeutet, dass der überschüssige Sauerstoff alles angreift, was in seiner Nähe ist. Naturgemäß sind davon zu allererst die Mitochondrien betroffen. Die Kraftwerke werden angegriffen und schließlich abgeschaltet. Die Folge sind eine verminderte ATP-Produktion und damit eine verminderte Energie.
Jetzt klappt eine Schere auf: Der Energieverbrauch steigt im chronischen Stress und die Energieproduktion sinkt. Burnout scheint unvermeidlich. Eine Erholung ist in dieser Stress-Situation nicht einfach möglich, da sich die angegriffenen Kraftwerke oft nicht ohne weiteres und ohne spezielle Hilfen wieder erholen. Der oxidative Stress ist deshalb eine Erklärung für die vielen chronischen Verläufe beim Burnout.
Was wirkt sonst noch auf die Körperzellen?
Was wirkt sonst noch auf die Körperzellen?
Eine Sonderform des oxidativen Stresses ist der nitrosative Stress. Nitrosativer Stress sagt aus, dass zu viel Stickstoffmonoxid, chemisch NO im Körper ist.
NO ist ein wichtiges Gas, das im gesunden Organismus viele Aufgaben hat. Um seine Rolle beim Burnout zu verstehen, sind zwei Wirkungen wichtig. Es ist einmal ein Botenstoff zwischen den Nervenzellen und zum anderen eine Steuerungssubstanz in den Mitochondrien. Dort regelt es die ATP Produktion und sorgt dafür, dass unter normalen Bedingungen nicht zu viel ATP erzeugt wird.
Im nitrosativen Stress kehren sich aber die ursprünglich positiven Eigenschaften ins Negative. Ein Zuviel an NO als Botenstoff zwischen den Nervenzellen führt dort zu einer Übererregung und damit zu Unruhe, Schlafstörungen, Herzrasen, Durchfällen und weiteren sog. Vegetativen Symptomen, die von Mensch zu Mensch ganz verschieden sein können. In den Mitochondrien kommt es zur Drosselung der Energieproduktion und, wie beim oxidativen Stress bis hin zum Abschalten der Kraftwerke.
Was kann diesen Stress verursachen? Ursachen gibt es Viele. Man kann durch falsche Ernährung mit Pökelsalzen, bestimmten Geschmacksverstärkern und Konservierungsmitteln, aber auch durch überdüngtes Gemüse Nitrosamine aufnehmen; Nitrosamine lösen dann im Körper nitrosativen Stress aus oder verstärken diesen. Allerdings sind auch Schädigungen der Halswirbelsäule in der Lage, nitrosativen Stress zu erzeugen.
Bei HWS Problemen, z.B. nach Schleudertrauma, Bandscheibenvorfällen, degenerativen Veränderungen usw. kann es passieren, dass auf das Halsmark Druck ausgeübt wird. Da im Halsmark sämtliche Nervenbahnen verlaufen, die das Gehirn mit dem übrigen Körper verbinden und umgekehrt, ist nachvollziehbar, dass ein Druck dort zu einer Übererregung des Gehirns und der peripheren Nerven führt und auf diese Art und Weise ständig und zu viel NO ausgeschieden wird. Bei vielen Menschen ist diese Überregung des Gerhirns eine wichtige Mitverursachung des Burnout.
Zuviel NO wird im Körper durch Vitamin B12 abgefangen. Allerdings hat der Organismus lediglich 10 tausendstel Gramm im Vorrat, so dass nach kurzem nitrosativem Stress rasch ein Mangel entsteht, der seinerseits den Stress verstärkt und Burnout fördert.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass zwar bei fast jedem Menschen, der in den Burnout fällt, ein psychischer Stress vorausgegangen ist, die eigentliche Ursache aber auf körperlicher Ebene liegt und sich als Zusammenbruch der körperlichen Stressbewältigungssysteme auf hormoneller und zellulärer Ebene darstellt.
Deshalb sind Psychotherapien als alleinige Maßnahme oft nicht wirksam, da die körperlichen Voraussetzungen dadurch nicht gebessert werden können. Andere Maßnahmen, zumindest zu Beginn der Therapie sind erforderlich, um Betroffene rasch, zuverlässig und in einem vertretbaren Zeitraum wiederherzustellen. Hierzu finden Sie bei der Initiative Burnout-Lightup wertvolle Hinweise.
Weitere Informationen zu Stress und dem Zusammenhang mit dem Burnout-Syndrom finden Sie in unseren Literaturempfehlungen. Leiden Sie an zu viel Stress und Leistungsdruck? Machen Sie den Stress-Test über das imedo Infocenter Burnout oder erfahren Sie mehr über präventive Maßnahmen zum Stressabbau und Ruhefindung.